Worte, die man mir nicht sagt

In einer ungekürzten Lesung begegnen wir einer Lebenswelt, die für die meisten Hörer in der hier dargestellten Tiefe Neuland darstellt. Die französische Autorin Veronique Poulain beschreibt in ihrem ersten Roman ihr Leben als Tochter von gehörlosen Eltern. Sie erzählt von ihrem Leben in zwei Kulturen, einer hörbaren und einer die auf Zeichen, nonverbale Kommunikation und Stille beruht. Das Aufwachsen in dieser „Zweisprachigkeit“ und die Besonderheiten, die dieses Familienleben im Inneren und mit der Umwelt mit sich bringt, schildert uns Poulain mit außerordentlichem Gespür für Details und vielschichtigen Perspektiven aus der Welt der Gehörlosen, die es dem Hörer ermöglicht eine fesselnde Bindung mit dieser Lebensschau einzugehen. Alltagssituationen, die für die meisten gewöhnlich erscheinen, benötigen mitunter erfinderische Lösungen. Humor und Skurriles kommen dabei nicht zu kurz, denn Poulain nimmt kein Blatt vor den Mund. Und so berichtet sie auch vom lauten und intensiven Sex der Gehörlosen, deren genüsslichen Schmatzen oder dem geräuschvollen Pupsen in der Öffentlichkeit. Oder von Situationen, in denen sie ihre Eltern mit „Hallo, Ihr Arschlöcher“ begrüßt und eine liebevolle Umarmung erntet. Die Autorin besticht mit ihrem Stil und es gelingt ihr den Hörer vielfältig zu berühren. Die Sprecherin Jodie Ahlborn trifft dafür den richtigen Ton und klingt glaubwürdig als Veronique und ihren Berichten aus dem Leben mit gehörlosen Eltern. (vo)